Unter vier Augen: Bezirksbürgermeister Peter Tillmanns

30.11.2020 - Mit deutlicher Mehrheit ist Peter Tillmanns bei der konstituierenden Sitzung der Bezirksvertretung Brand in seinem Amt als Bezirksbürgermeister bestätigt worden. Er freut sich darauf, sich weitere fünf Jahre für die Bürgerinnen und Bürger des Stadtbezirks Brand engagieren zu dürfen. Peter Tillmanns schaut zurück auf das auslaufende Jahr 2020 und blickt ins kommende Jahr.

Bitte bewerten Sie das Jahr 2020 für den Stadtbezirk Brand?

Peter Tillmanns: Wir leben in schwierigen Zeiten. Die Corona-Pandemie hat auch hier in Brand furchtbar zugeschlagen und das öffentliche Leben sowie das Vereinsleben letztendlich zum Erliegen gebracht. Das macht es unheimlich schwierig, weil Menschen soziale Wesen sind, die vom Austausch, vom Miteinander, von unseren Vereinsfesten und vom Sport leben - all das kann derzeit leider nicht stattfinden. Wir Brander sind zum Glück innovativ, so dass wir auch andere Lösungen, die trotz Pandemie möglich sind, erarbeiten. Bestes Beispiel ist jetzt ganz aktuell der Brander Martinsritt, den wir hatten. Er wird hoffentlich auch eine Lösung für die Karnevalstage geben, auch daran wird gearbeitet und überlegt. Wegen der Corona-Schutzverordnung ist es zur Zeit schwierig Brand zu gestalten. Natürlich läuft das politische Leben im Stadtbezirk weiter. Die Bezirksvertretung hat sich konstituiert.

Wie kommt denn der Brander an sich mit dem “Hausarrest” klar?

Peter Tillmanns: Das kommt darauf an. Das, was ich mitbekomme, sind zwei Dinge. All diejenigen, die in einer guten Vermögenslage sind, einen vernünftigen Job und vernünftige Wohnmöglichkeiten haben, kommen damit eher gut zurecht. Sie sagen sogar, dass sie die Phase des Lockdowns als sehr entschleunigend empfinden und es gut sei, die Hetze des Alltags mal hinter sich lassen zu können. Genau anders herum ist es bei Menschen, die z.B. alleinerziehendend sind oder in prekären Wohnverhältnissen leben. Auch das gibt es hier in Brand. Es hat nicht jeder ein Kinderzimmer und wenn mandann noch alleinerziehend ist, womöglich im Homeoffice, und dann keine ruhige Minute in der Wohnung hat, dann wird es verdammt schwierig. Ich habe Angst, dass das soziale Ungleichgewicht in Brand zunimmt - und das wird es meines Erachtens situationsbedingt tun.

Was macht die Corona-Pandemie mit der Wirtschaft im Stadtbezirk?

Peter Tillmanns: Ich habe bisher noch nicht vernommen, dass Geschäfte in Brand schließen müssen. Aus einem Ladenlokal auf der Trierer Straße ist vor kurzem das Reisebüro ausgezogen, dies wird möglicherweise Corona bedingte Gründe haben. Ich habe allerdings wahnsinnige Sorgen um die Gastronomie hier in Brand, die einen erheblichen Umsatzverlust zu verdauen hat. Ich hoffe, dass die Gastronomie durchhält.

Befürchten Sie, dass Brand durch die Pandemie zur Schläfer-Stadt wird?

Peter Tillmanns: Nein, das befürchte ich nicht! Dafür ist der Brander zu autark und das Vereinsleben zu vielfältig. Ich glaube eher, dass wir jetzt diese Pause machen müssen und der Brander anschließend wieder voller Elan aufsteht und das tut, was er am Besten kann: seinen Stadtbezirk und das Vereinsleben nach vorne bringen. Er wird in den Vereinen und Institutionen aktiv sein. Ich glaube nicht, dass wir zur Schläfer-Stadt verkommen.

Wird 2021 ein besseres Jahr für Brand als 2020 es war?

Peter Tillmanns: Davon gehe ich doch stark aus! Es gibt doch auch gute Nachrichten über einen Impfstoff., so dass ich schon glaube, das sich da im kommenden Jahr etwas tut. Ich hoffe auch, dass wir zumindest in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres wieder mehr Vereinsleben hinbekommen, so wie wir es zumindest in größeren Teilen gekannt haben. Einschränkungen wird es wahrscheinlich immer geben, aber wir müssen lernen, mit dem Virus Covid19 zu leben. Die Bauprojekte in Brand schreiten fort. Man muss nur ins Tuchmacherviertel schauen, in welcher Geschwindigkeit Wohnungen und die Kindertagesstätte entstehen.

Selbiges gilt für die alte Turnhalle der Marktschule, die zu einem Veranstaltungsraum für Brand umgebaut wird. Dieses Bauprojekt wird im Herbst/Winter 2021 abgeschlossen werden. In der Bezirksvertretung sind wir mit dem Thema Verkehr in Brand beschäftigt, mit Sicherheit einer der Schwerpunkte unserer Arbeit in den nächsten fünf Jahren. Mir persönlich ist da immer die Bürgerbeteiligung wichtig. In der jetzigen Phase der Pandemie stelle ich mir natürlich die Frage, wie es gehen soll. Wie soll Bürgerbeteiligung stattfinden, wenn man sich nicht treffen darf? Aber das wird auch wieder besser, da bin ich zuversichtlich. In der aktuellen Ratsperiode geht es darum, Politik so zu gestalten, dass die Bürger mitgenommen werden und ein Mitspracherecht haben. Da kann ein Bürgerrat dazugehören, das ist das Projekt, das sich gerade aus “Brand spricht” für ganz Aachen entwickelt. Die großen Dinge, die uns in den nächsten fünf Jahren prägen werden, die laufen weiter. Deswegen denke ich wird das kommende Jahr besser werden als das Jahr 2020.

Am 31. Dezember läuft der Pachtvertrag zwischen Borussia Brand und der Stadt Aachen für den Sportplatz an der Karl-Kuck-Straße aus. Stehen dort am 4. Januar schon die Bagger?

Peter Tillmanns: Nein, so schnell wird es nicht gehen. Das Bebauungsplanverfahren schreitet weiter fort. Er ist angedacht, dort Wohnraum zu schaffen. Hier muss man darauf achten, dass die Wohnbebauung nicht zu massiv ausfällt! Auf den anderen Seite stehen dort schon vier- bis fünfstöckige Häuser. Es muss geschaut werden, was passt dorthin und was passt zu Brand.

Thema: Marktliner

Peter Tillmanns: Ich finde die Idee super! Wir haben sie mit der Bezirksvertretung begleitet und Investitionsmittel für den Feldversuch, der von November bis Ende Februar 2021 laufen soll, bereitgestellt. Die Idee kam von der SPD. Es ist das Schöne an Brand, dass es nicht immer um Parteifarben geht, sondern um gute Ideen für Brand. Wir müssen die Binnenverkehre in Brand irgendwie abwickeln. Ich wünsche mir da auch mehr Velocity-Stationen. Wir haben eine am Marktplatz und eine am Bahnhof, ich hätte gerne noch eine in Freund und in Niederforstbach. Ich will diese Binnenverkehre in Brand auch mit anderen Verkehrsmitteln als dem Auto abbilden können und der Marktliner ist eine richtig gute Idee. Die Realisierung ist total kompliziert, weil die Strecke in das Gefüge der ASEAG eingebunden werden muss. Ein Zweifahrtenticket hin und zurück wird 1,60 Euro kosten. Die spannende Frage ist, ob die Brander dieses Angebot annehmen oder nicht. Wenn es angenommen wird, werden wir natürlich in der Bezirksvertretung dafür kämpfen, das wir den Marktliner dauerhaft bekommen, zumindest an den Markttagen, besser wäre täglich. Die Grundidee, den Marktliner für die Nutzer kostenfrei zur Verfügung zu stellen, konnte nicht realisiert werden, da hier die ASEAG und der AVV als übergeordnete Verkehrsverbünde im Boot sind. Deshalb können wir keine kostenfreien Tickets anbieten, aber der Marktliner kann von Inhabern von Wochen- und Monatskarten kostenfrei benutzt werden.

Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl als Bezirksbürgermeister! Wie bewerten Sie die Bestätigung Ihrer bisherigen Arbeit?

Peter Tillmanns: Ich bin zunächst total dankbar, glücklich und demütig, dass mir die Bezirksvertretung und die Menschen in unserem Stadtbezirk wieder das Vertrauen geschenkt haben. Das ist nicht selbstverständlich und ist natürlich auch immer ein Ansporn, in den nächsten Jahren für Brand etwas bewegen zu wollen. Aber ich bin nicht alleine. Ich habe zwei Stellvertreter mit Dorothee von Eckardstein und Doris Müller und ich habe eine gut funktionierende Bezirksvertretung. Ich habe im Wahlkampf immer gesagt, gemeinsam geht es besser und wenn ich das sage, muss ich das für meine Arbeit in Brand ernst nehmen. Das ist der Anspruch, den ich an meine Arbeit habe, dass es wirklich gemeinsam besser geht und da gehören alle Branderinnen und Brander dazu, sei es in Vereinen, sei es in der Kirchengemeinde, im Karneval oder die, die überhaupt nicht organisiert sind. Ich möchte, dass einfach alle mitmachen oder zumindest die Möglichkeit haben mitzumachen. Es ist mein Wunsch, dass wir selber aktiv unserem Stadtbezirk gestalten, denn auch ein Bezirksbürgermeister kann leider nicht über das Wasser laufen!

Mit welchen Plänen und Zielen gehen Sie in die kommenden fünf Jahre?

Peter Tillmanns: Es gibt zwei große Punkte die eine Rolle spielen: die Bürgerbeteiligung und die Verkehrspolitik. Die Verkehrswende wird auch bei uns im Außenbezirk, der mit der Trierer Straße eine der meist belasteten Straßen in Aachen hat, eine Rolle spielen. Ich wünsche mir, dass wir die “Stadtteile von Brand” wie Freund, Rollef, Niederforstbach und Brand Zentrum querverbinden können. Deswegen ist die Idee des Marktliners super. Ich wünsche mir dringend Querverbindungen nach Burtscheid und Eilendorf über den ÖPNV, das heißt, dass sich der Öffentliche Personennahverkehr komplett ändern muss.

Ich wünsche mir eine Stärkung des Vereinswesens und der Wirtschaft, wobei Wirtschaft ein schwieriges Thema ist, weil die Einflüsse der Politik hier relativ begrenzt sind. Ich habe immer und immer wieder Angst um Leerstände auf der Trierer Straße und den sogenannten Downtrading-Effekt: Stichworte sind Shisha-Bars, Kioske oder Wettannahmestellen. Das ist nicht die Form von Gewerbe, die ich in Brand auf der Trierer Straße haben möchte. Ich kann es nicht verhindern, aber darum geht es nicht. Ich wünsche mir einfach, dass wir ein qualitativ hochwertiges Angebot als Mittelzentrum für das Münsterländchen haben. Bei Leerständen sehe ich auch neue Büroräume nicht als Lösung. Sie haben natürlich ihre Berechtigung, aber mein Fokus liegt auf dem Einzelhandel.

Die Entwicklung Marktplatz ist auch ein wichtiges Thema. Wenn die schwierigen Zeiten vorbei sind, wünsche ich mir schon, dass wir auf dem Marktplatz mehr Veranstaltungen haben werden. Das habe ich genauso vor fünf Jahren gesagt. Wir haben schon einige Veranstaltungen auf dem Marktplatz, aber es reicht mir nicht. Hier ist echt noch Potential , aber die Bezirksvertretung und der Bezirksbürgermeister sind keine Eventmanager, das ist nicht unser Job. Allerdings geht auch nicht alles, denn wir haben Lärmschutz und Anwohnerschutz zu berücksichtigen. Diesbezüglich nicht zu unterschätzen ist, dass wir wöchentlich mit dem Wochenmarkt schon zwei Veranstaltungen auf dem Platz haben. Ich kann mir durchaus vorstellen, über einen Biergarten im Sommer zu reden, der meines Erachtens gut angenommen wurde.

Politisch gesehen wünsche ich mir, dass wir weiterhin diese starke Stimme in die Zentralverwaltung nach Aachen hinein senden, wie wir es früher immer getan haben. Das ist ein Pfund, das man nicht unterschätzen darf, weil die Verwaltung weiß, die Brander agieren parteiübergreifend. Auch unser Bezirksamt muss weiter gestärkt werden, es ist das Aushängeschild der Stadt hier in Brand, bürgerfreundlich, kompetent und sachorientiert. Aber die Aufgaben nehmen immer mehr zu, das muss man im Auge haben, gerade auch im Sinne des Mitarbeiterschutzes. Ich wünsche mir ein politisches Miteinander zwischen den Parteien und das wir den Bürger, das ist für mich echt ein Thema, anders in den Blick nehmen als wir es bisher getan haben.



(Nöits op d'r Brand/Ausgabe Dezember 2020/Januar 2021)



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