Unter vier Augen Interview mit Andreas Lux
11.10.2020 - Die Gesamtschule Brand feiert in diesem Jahr 30jähriges Bestehen. Nöits op d'r Brand hat sich mit Schulleiter Andreas Lux über die Schule und über die Nach-Lockdown-Zeit unterhalten.
Herr Lux, was fällt Ihnen bei 30 Jahre Gesamtschule Brand spontan ein?
Andreas Lux: Ich bin seit 21 Jahren an dieser Schule und kenne sie schon lange. Der Begriff, der mir einfällt, ist Kontinuität, weil wir seit vielen Jahren konstant und kontinuierlich arbeiten und sehr zuverlässig als Größe für die Schülerinnen und Schüler sind. Ich bin davon überzeugt, auch als Größe für den Stadtbezirk. Das war nicht immer so, aber inzwischen sind wir sehr gut in Brand integriert. Ich komme immer noch mit dem Fahrrad. Wie übrigens viele Schülerinnen und Schüler, die während der Corona-Pandemie auf den Schulbus verzichten und mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind.
Die Brander Gesamtschule ist absolut beliebt, das zeigen die jährlichen Anmeldezahlen. Wie gehen Sie damit um, wenn sie zu jedem neuen Schuljahr Bewerberinnen und Bewerber, die Ihre Schule besuchen möchten, aus Platzgründen absagen müssen?
Andreas Lux: Das ist mit der schlimmste Moment in meinem Jahr, das muss ich ganz ehrlich sagen. Das Schlimmste ist einem Kind sagen zu müssen, es geht nicht, weil wir zu wenig Schulplätze haben. Oft stecken Schicksale dahinter, man hat weinenden Eltern, weinende Kinder. Die Vorstellung, wie ein Kind zu Hause sitzt, deinen Brief auf macht und erfährt, dass es nicht aufgenommen wird, das ist absolut gruselig. Die Beliebtheit unserer Gesamtschule ist das Resultat einer langjährigen guten pädagogischen Arbeit. Die alten Recken um meinen Vorgänger Walter Kröner haben die Schule aufgebaut und gut eingestielt. Wir machen heute weiterhin eine gute Arbeit, wie ich meine. Wenn man in Zeiten, in denen Eltern die Schulen ihrer Kinder wählen können, so angewählt wird, dann ist das ein großes Lob. Ich darf auch nicht leugnen, dass wir mit unserem Einzugsgebiet gut aufgestellt sind.
Was sind aus Sicht der Eltern und der Kinder die ausschlaggebenden Punkte, um sich um einen Schulplatz an der Gesamtschule Brand zu bewerben?
Andreas Lux: Viele Eltern sagen, dass wir am Tag der offenen Tür eine gute Überzeugungsarbeit leisten. Die loben die Herzlichkeit, die Aktivität und die Lernfreude und auch das bunte Treiben an der Schule - das gefällt ihnen. Hinzu kommt die offen Schullaufbahn. Viele Eltern hoffen, dass ihr Kind vielleicht Abitur macht, obwohl das auf der Grundschule zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht so aussieht. Während der Grundschulzeit ist es für eine Entwicklungsprognose zu früh. Die offene Schullaufbahn mit allen Möglichkeiten und der Standort mit einem großen Einzuggebiet sind wichtige Faktoren bei der Auswahl.
Thema Corona: Was hat die Pandemie an der Gesamtschule Brand verändert?
Andreas Lux: Zunächst einmal ist unsere große Feier zum 30. Geburtstag ausgefallen. Wir schauen jetzt, ob sie noch Ende des Jahres stattfinden kann. Corona hat die Schule dahin gehend verändert, dass sich alles an Corona ausrichtet. Alle anderen Dinge, die nach Corona kommen, sind nachgeordnet. Das verändert uns! Wir müssen gleichzeitig schauen, dass wir Bildung sichern, dass wir Kinder, Laufbahnen und Menschen betreuen und das wir Kinder entwickeln - das ist im Moment harte Arbeit, und dem geben wir den nötigen Stellenwert. Das in Zeiten von Corona zu bewerkstelligen ist hoch anstrengend.
Ist aktuell ein normale Beschulung möglich?
Andreas Lux: Wenn ein Großteil der Menschen, die vor dir sitzen, eine Maske tragen, dann spreche ich nicht von einer normalen Beschulung. Man redet lautet, man versteht sich nicht, man kann bestimmte Unterrichtsformen kaum gestalten, man kann nicht singen - vom normalen Unterricht sind wir noch entfernt. Dass, was wir machen, ist schon Unterricht. Gruppenarbeit und Partnerarbeit ist unter bestimmten Bedingungen möglich, die Inhalte werden vermittelt, wir machen Physik, Deutsch und Englisch und im Moment läuft alles gut. Wir hängen nicht hinterher und kommen gut voran, nicht so wie im letzten Schuljahr, in dem uns ein halbes Jahr gefehlt hat.
Ist ein Corona-Zeugnis wegen der Fehlzeiten minderwertig?
Andreas Lux: Bestimmt nicht! Ich glaube nicht an die Studien die vorrechnen das Kinder Wissensdefizite haben. Eigentlich geht es um Kompetenzen und nicht um Wissen. Die Anhäufung von Wissen wird völlig überschätzt. Ein Großteil dessen, was man in der Schule lernt, vergisst man. Es ist nicht schlimm, wenn man nicht alles lernt. Es geht um Kompetenzen, das heißt, es geht darum, Dinge in bestimmten logischen Zusammenhängen zu denken und aufzuarbeiten. Im Gegenteil glaube ich, dass die Kinder an vielen Stellen ein Bewusstsein, ein Differenziertheit, entwickeln, die sie voran bringen können, weil sie sich in diesem System ganz intensiv mit bestimmten Dingen auseinander setzen. Ich glaube nicht, dass das ein Nachteil sein muss.
Ein geflügeltes Wort in der Corona-Zeit ist die Internet- oder Online-Beschulung.
Andreas Lux: Erstmal muss man die Grenzen der Internet- oder Online-Beschulung sehen. Letztlich ist das sogenannte Distanzlernen eine Form vom programmierten Lernen. Mit programmiertem Lernen hat man schon an vielen Stellen Erfahrung und es ist nicht der Unterricht, der in der Zukunft alleine stehen wird. Es hat schon früher nicht funktioniert und es wird auch heute nicht vollständig funktionieren. Wenn überhaupt kann es nur Mischformen geben von Präsenz- und Distanzunterricht. Beim Präsenzunterricht habe ich die Schülerinnen und Schüler in der Schule und kann ihnen ins Gesicht schauen und ggfs. sagen, mit dem Kind stimmt was nicht. Ich kann das Kind raus holen und mit ihm reden, das kann ich beim Distanzunterricht nicht. Ein Drittel der Kinder an unserer Schule sind im Distanzunterricht nicht zu finden. Die haben zu Hause keine Medien, mit denen sie vernünftig arbeiten können. Diese Kinder erreicht man höchstens über das Handy, aber über das Smartphone vernünftig auf Distanz zu arbeiten ist schon schwierig. Über 300 Schüler haben hier Bildung und Teilhabe. Diese verlieren beim Distanzunterricht noch mehr, weil sie gar nicht mehr angebunden sind und niemanden haben, der sie zuhause betreut. Weil sie keinen haben der sie betreut und begleitet beim Lernen.
Welche ist denn Ihre Unterrichtsform der Zukunft?
Andreas Lux: Diesbezüglich bin ich kein Visionär. Ich bin immer ein Visionär gewesen, was Schulklima und Atmosphäre angeht. Wichtig ist, dass man die Menschen zusammenhält und das man gegenseitige Toleranz und das „miteinander Auskommen“ lernt. Ich glaube, dass das die Grundlage zu allem bildet. Was die Schule der Zukunft angelangt: wir werden die neuen Medien einbauen müssen. Ich könnte mir zwei Drittel Präsenz- und ein Drittel Distanzunterricht gut vorstellen. Bis wir da sind wird noch eine Zeit vergehen. Bei der Kurzlebigkeit der Medien frage ich mich, wie die Dynamik dauerhaft aufrecht erhalten werden kann. Es ist daher wichtig, dass die Schulen immer wieder neue Medien bekommen, die dann auch auf dem neuesten Stand gehalten und gepflegt werden. Die Pflege der Systeme wird das größte Problem sein.
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